Online-Diskussion: Das Finale beim Brexit!?
Bocholt (EUBOH) „Das Finale beim Brexit!?“ – zu diesem spannenden Thema luden die Deutsch-Britische Gesellschaft Bocholt e.V. und das Europe Direct Informationszentrum Bocholt erstmals zu einer Online-Diskussionsrunde ein. Mit dabei waren Vertreterinnen der „Friends of Bocholt“ aus der englischen Partnerstadt Rossendale. Diese konnten aus erster Hand berichten, wie das Thema „Brexit“ von den Menschen auf der Insel wahrgenommen wird.
Christian Strauß, Vorsitzender der Deutsch-Britischen Gesellschaft Bocholt, und Sebastian Borgert, Leiter des Europe Direct Informationszentrum Bocholt, haben den Abend mit einer Faktenrunde eingeleitet. So steht das Wort Brexit für „British Exit“ und meint den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. Das Vereinigte Königreich aus England, wo auch Rossendale liegt, Schottland, Wales und Nordirland.
Spielt der Brexit in Großbritannien noch eine Rolle?
Die Auswirkungen auf Privatpersonen, z. B. im Tourismus und Warenverkehr, wurden bei der jetzigen Video-Konferenz genauso angesprochen wie die Wichtigkeit des Brexits für die Menschen in Großbritannien. Ist der Eindruck in Deutschland eher so, dass man den Brexit bedauert, scheint er bei den Briten nicht mehr im Blickfeld zu sein. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zum 31. Januar 2020 war das Thema nicht mehr präsent, so Ros McDonald, Vorsitzende der „Friends of Bocholt“.
Mögliche wirtschaftliche Auswirkungen?
Die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen werden durch die aktuelle Corona-Pandemie überlagert. Ros McDonald berichtet, dass die Medien es den Menschen in Großbritannien sehr einfach erklären: „Haben Sie sonst 10 verschiedene Salate zur Auswahl, bekommen Sie nach einem No-Deal-Brexit nur noch sechs verschiedene.“ Diese Bagatellisierung wird auch auf andere Bereiche übertragen oder für Begründungen zum Vorteil eines Brexits genutzt. So erklären die Brexit-Befürworter die frühere Impfmöglichkeit gegen COVID-19 per Notfallzulassung als einen Erfolg zur Abspaltung von der Europäischen Union.
Persönliche Konsequenzen des Brexits?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Online-Diskussion sahen auch die persönlichen Konsequenzen in der städtepartnerschaftlichen Zusammenarbeit. Ein No-Deal bedeutet z. B., dass Reisende nur noch bis zum 30. September 2021 mit dem Personalausweis oder dem Reisepass nach Großbritannien fahren können. Ab dem 1. Oktober 2021 ist ein Reisepass für die Einreise zwingend erforderlich. Auch die praktische, für EU-Bürger bislang kostenlose Krankheitsbehandlung in England durch den nationalen Gesundheitsdienst, wird es nicht mehr geben. Jeder EU-Bürger muss für eine Reise nach England eine entsprechende Auslandskrankenversicherung abschließen. Die Kosten dafür, verbunden mit zu erwartenden höheren Transferkosten, machen partnerschaftliche Begegnungen für den Einzelnen teurer und möglicherweise nicht mehr so attraktiv.
Wegfall von europäischen Fördermitteln?
Seitens der Kommunen wird darüber hinaus befürchtet, dass z. B. finanzielle Fördermittel der Europäischen Union nicht mehr für Begegnungen, an denen sich die Briten beteiligen, abgerufen werden können. Für Bocholt trifft das u.a. die Teilnahme von Rossendaler Jugendlichen an den europäischen Jugendcamps. Diese erhielten in der Vergangenheit sowohl Zuschüsse für ihre Reisekosten als auch für den Aufenthalt in Bocholt über das europäische Förderprogramm ERASMUS + – Jugend in Aktion.
Shoppen bis zur Einfuhrgrenze?
Das Shoppen bei den zweijährlichen London-Fahrten der Deutsch-Britischen Gesellschaft Bocholt ist bei einem No-Deal nicht mehr „grenzenlos“ möglich. Für die Wareneinfuhr gilt – wie bei vielen anderen Nicht-EU-Ländern auch – eine Grenze von 430 Euro, die zollfrei bleiben. Für Privatreisende per Auto oder Bahn liegt diese nur bei 300 Euro. Proviantpäckchen von zu Hause aus mitgenommen, sind ebenfalls nicht mehr möglich. Sowohl die EU als auch Großbritannien verbieten die Einfuhr von tierischen Produkten, wie z. B. Butter, Wurst und Käse. Einmal schnell ins Internet oder zu Hause anrufen – mit dem Wegfall der EU-Roaming-Gebühren kosten Gespräche im EU-Inland genauso viel wie im EU-Ausland. Da Großbritannien nicht im kommenden Jahr nicht mehr zu EU gehört, wird es für den Verbraucher deutlich teurer, sagt Sebastian Borgert.
Erfolgreiche Städtepartnerschaft trotz Brexit
Einig waren sich jedoch alle Anwesenden darin, dass – ob weicher oder harter Brexit – die partnerschaftlichen Beziehungen weiterhin gepflegt, gefördert und möglichst ausgebaut werden sollen. „Die Städtepartnerschaft zwischen Bocholt und Rossendale gab es bereits vor der Europäischen Union.“, so Petra Taubach, Partnerschaftsbeauftragte der Stadt Bocholt. „Sie wird auch nach einem Brexit fortbestehen.“ Im Jahr 2022 feiert die deutsch-britische Partnerschaft ihren 70. Geburtstag und hofft auf zahlreiche Begegnungen zwischen beiden Städten.